LISA 43/2006, Seite 74
Gummistiefel statt Highheels: Die Ex-Korrespondentin Lilli Ullrich schuf ein Paradies für Tiere, die keiner mehr will
Von Claudia Pless
Vorsichtig nähert sich der braune Hengst der zierlichen Frau und reibt sanft seinen Kopf an ihrer Schulter. „Moritz wurde von seinem Besitzer jahrelang geschlagen, wäre ohne mich beim Schlachter gelandet …“, erzählt Lilli Ullrich und streicht ihrem vierbeinigen Liebling über die Nüstern.
Das betagte Pferd ist nur eines von mehreren Dutzend Tieren, die in Nesow (Mecklenburg- Vorpommern) friedlich ihren Lebensabend verbringen. Seit zwölf Jahren ist Lilly 24 Stunden am Tag für ihre Schützlinge da. Mit ihrer idyllisch gelegenen „Villa Kunterbunt“ hat die 42-Jährige ein märchenhaftes Paradies geschaffen, bietet dort Tieren Asyl, die sonst keiner mehr will. Vor allem Pferde, die krank und verwahrlost sind, finden auf dem acht Hektar großen Gnadenhof ein artgerechtes Zuhause. Aber auch Lamas, Ziegen und sogar Hängebauchschweine leben in offenen Ställen und auf saftigen Wiesen friedlich zusammen.
Der liebevolle Umgang mit den Tieren und gegenseitiger Respekt sind für Lilli die obersten Gebote in ihrer modernen Arche Noah: „Ich glaube fest daran, dass Mensch, Natur und Tiere zusammengehören und dass jedes Wesen in Bedrängnis das gleiche Recht auf Schutz hat!“
Schon als Kind träumte sie davon, einmal „mit ganz vielen Tieren“ zusammenzuleben. Aber bevor sie ihr Ziel erreichte, musste sie einige Umwege gehen. Die ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin arbeitete zunächst in Paris und auf Malta. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland dann als Hostess auf Fachmessen. Bis sie auf einer Urlaubs-Radtour in Mecklenburg den leerstehenden Reetdachhof entdeckte. Da Lilli kurz zuvor ein wenig Geld geerbt hatte, zögerte sie keine Sekunde: Sie kaufte den Hof, tauschte Highheels und Businesskostüm gegen Gummistiefel und Schubkarre und baute Tag für Tag mit harter Arbeit die „Villa Kunterbunt“ auf.
Ein Einsatz, der der alleinstehenden Frau alles abverlangt: Immer wieder muss Lilli sich gegen Tierhasser und verständnislose Bauern behaupten, Geldgeber überzeugen und Spenden sammeln, um das tägliche Leben für sich und ihre tierischen Mitbewohner zu sichern. Dennoch hat die attraktive Frau den Schritt in ein mühsameres Leben nie bereut. Wenn sie abends noch einmal mit den Hunden über die Koppeln geht, den blinden Eber Ernst zärtlich krault und Ziegenbock Leo gute Nacht sagt, dann kann sie sich kein größeres Glück auf Erden vorstellen. „Die Tiere sind mein Leben für sie würde ich alles geben!“